Vertrieb in Zeiten der digitalisierten Wirtschaftswelt

Zum Thema „Digitalisierung der Wirtschaft“ und „Industrie 4.0“ ist in letzter Zeit sehr viel berichtet worden. Dabei stehen jedoch primär die technischen Aspekte im Vordergrund.

Will man das Ziel einer „intelligenten und ertragsstarken Produktion“, welche sich durch Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz, ergonomische Gestaltung sowie die nachhaltige Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäftsprozessen auszeichnet, erreichen, sollte man einen wichtigen Faktor nicht vergessen: Die Menschen auf Lieferanten- und Kundenseite. Zu Beginn einer Geschäftsbeziehung sind das vielfach der Verkäufer und der (Ein-) Käufer. Kommen diese beiden nicht zusammen, nutzen noch so viele Investitionen in Industrie 4.0 und Big Data Lösungen wenig.

Beim Finden und Binden speziell von Mitarbeitern, die die Schnittstellen zum Kunden besetzen, so zu agieren, wie schon seit Jahrzehnten gewohnt, funktioniert nicht mehr. Fachlich und menschlich zum Unternehmen, der Unternehmenskultur, passende Mitarbeiter auszuwählen und einzusetzen ist das Fundament unternehmerischer Leistungsfähigkeit. Investieren Unternehmen Millionen in neue Technik, weil die Welt sich wandelt, vergessen sie jedoch manchmal, dass der Mensch sich mit verändert. Das ist so, als würde man in einen Formel I Rennwagen des Jahres 2015 einen Piloten mit dem Ausbildungsstand des Jahres 1975 setzen.

Wie finden Unternehmen in einer Zeit des ausgeprägten Mangels an Fach- & Führungskräften diejenigen Vertriebsmitarbeiter, die zum eigenen Unternehmen, der Unternehmenskultur, zu den Kunden und Produkten bzw. Dienstleistungen passen? Gerade im Vertrieb wird es sehr schnell zu einem teuren sechsstelligem „Vergnügen“ *), wenn der oder die Neue in oder kurz nach der Probezeit das Unternehmen wieder verlässt. Die Auswirkungen auf die Kundenbeziehungen bleiben hierbei sogar noch unberücksichtigt.

Die Digitalisierung der Wirtschaft wird den Verkäufer nicht überflüssig machen. Im Gegenteil. Er wird an Gewicht und Bedeutung gewinnen. Der interessierte Kunde kann heute aus einem fast unendlichen Informationspool schöpfen. Bei der Entscheidung für kleine oder große Investitionen tut er sich, wie jeder von uns, schwer aus der Masse an Möglichkeiten die optimale herausfiltern. Neben den „hard facts“ werden als Entscheidungskriterien noch stärker als heute vielschichtige weiche Faktoren treten. Diese geben schlussendlich den Ausschlag für den Anbieter A, B oder C. Wichtig ist, wie gut und nachhaltig kann der Vertriebsmitarbeiter die Beziehung zum Kunden gestalten? Hier wird primär das Tätigkeitsfeld des Verkäufers – besser noch des Entscheidungsberaters und/ oder Relationship Managers – sein.

Unterschieden wird dabei in Zukunft, stärker als bisher, zwischen Vertriebsprozessen in der Konsumgüter- und der Investitionsgüterindustrie. In der Erstgenannten werden wir, auch wenn es um sehr hochwertige Konsumgüter und private Gebrauchsgüter wie z.B. PKW´s oder Multimedia Geräte geht, eher den Verkäufer finden, der über vielfältige Wege in sozialen Netzwerken, über Blogs, Internetforen, Events, Veröffentlichungen in gängigen Medien etc. seine Kunden findet und pflegt. Dieser Typus ist zugleich Marketing- / Social Media Manager sowie Verkäufer. Ihm muss es gelingen, durch den nachhaltigen Aufbau eines positiven Markenimages und von virtuellen Beziehungen die  potentielle Käufergruppe für sein Unternehmen zu gewinnen. Er muss es verstehen, auf der Klaviatur der penetranten Marktdurchdringung mit allen zur Verfügung stehenden „Kommunikations-mitteln“ erfolgreich zu spielen. Er muss den richtigen Ton, den der Kunde vor dem Zeitpunkt seiner Entscheidung, dem Maximum seiner Unsicherheit was richtig oder falsch ist,  hören möchte,  treffen. Er muss begeistert sein von aktueller Technik und den sich dadurch ergebenden Optionen der Direktansprache eines sehr flüchtigen Klientels. Immer auf der Suche nach neuen Wegen, um im Bewusstsein seiner Kunden dann präsent zu sein, wenn diese eine Kauf-Entscheidung treffen möchten.

In der Investitionsgüterindustrie wird die beratende seniore Vertriebstätigkeit noch stärker gefragt sein. Die Bedürfnisse der Kunden müssen ganzheitlich erfasst und in konkrete Bedarfe transformiert werden. Der Vertriebsberater versteht die jeweiligen spezifischen Branchenanforderungen und Wertschöpfungsprozesse seiner Kunden. Er weiß, wie man auf Vorstands- und Geschäftsleitungsebene überzeugend ROI`s rechnet. Business Intelligence Lösungen für Planungs- & Forecasting Systeme unter Berücksichtigung heterogener IT Landschaften kann er ebenso standfest argumentieren wie die Besonderheiten der Einführung von Industrie 4.0 Applikationen in, z.B., der Prozessindustrie. Hier reden wir über eine Kombination aus Key Account Manager der eher klassischen Art und dem technisch- und kaufmännisch gut ausgebildeten Unternehmensberater. Darüber hinaus braucht dieser Typus eine starke und nachhaltige Sozial- und Beziehungskompetenz.